Der Traum der Perfektion durch Technik: Welche Folgen er für die spirituelle Entwicklung des Menschen hat, warum er so verlockend ist, und welche Rolle er im Zeitgeschehen spielen wird – über die Sehnsucht hinter dem Wunsch nach Automatisierung, und über die spirituelle Symbolik, die dieser mayischen Vision innewohnt.
Technik fand ich in jungen Jahren faszinierend. Dennoch lebten wir in respektvoller Distanz zueinander. Es gab das Technische, das künstlich Hervorgebrachte, und mich, das Menschenwesen, das natürlich Geborene. Technik war zu jener Zeit noch an ein Kabel gebunden – wie ein Hund an die Leine. Sicherheitshalber. Doch währte diese Distanz nicht allzu lange. Mit dem Aufkommen der Digitalisierung wurde das Technische immer ungebundener, immer kabelloser. So schmolz unsere respektvolle Distanz dahin. Überhaupt scheint das Technische – mittlerweile zur Gestalt eines Golems erwacht – ein ungehemmtes Interesse am Menschen zu haben. Wie von einer geheimnisvollen Macht gelenkt, sucht es die Nähe zu uns. Dabei sind ihm die Grenzen unserer Intimsphäre egal. Auf diese Weise ist z.B. das Smartphone oder Tablet zum intimen Partner vieler Menschen geworden, dem freizügig der Puls des eigenen Lebens überantwortet wird.
Gelegentlich werden Kritik, Misstrauen oder Zweifel daran laut. Menschen werden reihenweise süchtig, krank oder stumpfen ab. Werden selbst zum „App-ziehbild“ ihrer Apps. Der Geist der Technik versteht es jedoch gekonnt, solche Vorbehalte zu zerstreuen, und uns Menschen immer wieder mit zahlreichen Versprechungen und neuen Möglichkeiten zu beruhigen. Aber auch zu verführen. Immer mit der Aussicht, dass dadurch alles noch besser, noch sicherer, noch automatischer wird. Doch was ist das für ein Geist, der sich an den Superlativen technischer Perfektion ergötzt? Woher kommt er? Was will er? Wohin strebt er?
Technik als Magie: alles soll von „Selbst“ gehen
Hinter dem Traum nach technischer Perfektion wirkt das stille Bedürfnis im Menschen nach Heilsein. Alles soll funktionieren. Und zwar automatisiert, wie von „Zauber(maschinen)-hand“ bewegt. Hinzu kommt die Begierde, die materielle Welt mit all ihren Unwägbarkeiten kontrollieren zu können, um Herrschaft über sie zu erlangen. Im guten wie im schlechten Sinne. So ist der Geist der Technik zum herrschenden Magier unserer Epoche aufgestiegen und spiegelt mit seinen Mitteln unsere Sehnsucht wider, ein allmächtiges Wesen von vollkommener Natur zu sein. Oder gar ein himmlisches, gottgleiches Wesen von ewiger, unsterblicher Natur?
Die Magie der Technik versteht es geschickt, das eiskalte Kalkül hinter ihren Konstrukten zu verbergen. Und so erweckt sie für viele Menschen den verführerischen Anschein, alles im Leben könne mit ihrer Hilfe „allein“ und wie von „selbst“ (griech. autómatos) gelöst werden.
Aber auch der yogische Geist ist davon beseelt, dass alles aus dem „Selbst“ „all-ein“ seinen Weg findet. Dieses höchste Selbst (Brahman) durchdringt ausnahmslos die gesamte Schöpfung und wird im Yoga als höchstes Wesen, als Allseele (Paramatman) verehrt. Es kann in der Stille durch Meditation, Selbsterforschung und ein liebendes Herz als das „all-einige“ Wesen erkannt und verwirklicht werden. Der auf die Vorstellung technischer Automation fixierte Geist hingegen erblindet in der Wahrnehmung des Selbst. Denn er webt mit jeder neuen technischen Erfindung, an die er sich bindet, den Schleier der Maya dichter. Mit Maya wird die vergängliche Welt bezeichnet, die die Wirklichkeit, d.h. das unveränderliche, ewige und vollkommen in sich ruhende Selbst als dem Lebe- und Liebewesen in uns, überlagert.
Aber wo genau ist die Stelle der irreleitenden Abzweigung zu finden, in die hinein der technische Geist den Menschen führt und verführt? Wo erfährt der große Weg seinen Knick, durch den sich der Mensch immer tiefer in den mayischen Traum technischer Abhängigkeit verstrickt? So sehr, dass er die Fata Morgana technischer Automation und Digitalisierung fälschlicherweise für das Selbst hält und anbetend verehrt. Und ihr Reliquien, Altäre, Tempel und Kathedralen der Macht errichtet, denen wir uns ehrfürchtig ausliefern und beugen sollen.