Die höchste Bestimmung (Dharma) des Menschen wird im Vedanta mit dem Begriff Svarupa umschrieben. Sva bedeutet „selbst“ oder „eigen“, und Rupa, „Form“ oder „Natur“. Svarupa ist die Verwirklichung der ureigenen, göttlichen Natur, befreit von allen falschen Identifikationen und künstlichen Überlagerungen. Im Prinzip des Svarupa ist zu erkennen, dass diese übergeordnete Bestimmung in der Seele bereits angelegt ist. Es ist also die prinzipielle Aufgabe der im Menschen verkörperten Seele, sich ihrer Atman-Natur gewahr zu werden, und diese Erkenntnis im dichten Schöpfungstraum der Erdenwelt anwesend zu verwirklichen. Anwesend bedeutet, sich der göttlichen Wesensnatur in allen drei Welten – physisch, astral und kausal – immerzu bewusst zu sein, und nicht etwa falschen Identitäten auf den Leim zu gehen. Geschieht dies, führt es den Menschen in eine abwesende, hülsenhafte Existenz – in eine Art energielosen, mechanischen Zombieismus.
Mit traurigen Folgen für die Betroffenen und die gesamte Schöpfung. Eine solche Seele muss einen Großteil ihrer ursprünglichen Lebens- und Schöpferkraft als Obolus an die falsche Identität entrichten. Diese Pseudo-Identität ist ein Produkt unserer eigenen Projektionskraft, genährt aus den unerfüllten Sehnsüchten und Wünschen (Vasanas) in Verbindung mit so genannten Modell-Identitäten, die als zahlreiche Angebote und Verführungen auf dem Identitätsmarkt erhältlich sind. Auf diesem Markt wird das Ich leicht zur Beute von manipulierenden, nach Lebensenergie gierenden Wesenheiten, die nur allzu gerne, und mit großer Verführungskunst, falsche, schmeichelnde Ersatz-Identitäten anbieten. Man findet diese „Verkäufer“ zahlreich und gut getarnt in allen Lebensbereichen. Es sind viele Seelenräuber und Identitätsdiebe in unserer Welt zugange, die den Menschen ein X für ein U vormachen wollen.
Menschen aller Altersstufen gehen ihnen in großen Scharen in die Fangnetze. Diese werden mit immer subtiler werdenden technokratisch-digitalen Mitteln ausgeworfen. Einmal herausgefischt, erhält der „Fang“ als Kompensation seine „neue“ Identität, die dem Ich anfänglich so attraktiv und täuschend echt erscheinen mag, dass die Betroffenen die Manipulation nicht bemerken. Im Hintergrund findet jedoch eine heimliche Umleitung bzw. Abzweigung von Lebensenergie (Prana) statt. Diese fehlt dem gefangenen Menschen schließlich bei der Verwirklichung seiner wahren Natur (Svarupa) und dient Wesen, die psychopathologisch als „vampirisch“ zu betrachten sind, als Nahrung und unersättliche Bereicherung.
Für eine so verlorene Seele ist es nicht leicht, in ihren seelischen Heimathafen zurückzufinden, da sich die verrücktspielende Kompassnadel des Herzens zuerst wieder friedvoll einschwingen muss. Die Einweihungswege des Yoga halten dafür jedoch zahlreiche Mittel und Möglichkeiten bereit. Auch erhalten wir, wenn wir von ganzem Herzen darum bitten, Hilfe, Führung und Inspiration von lichtvollen Bewusstseinskräften. Diese Kräfte erkennst du immer am Wappen der bedingungslosen Liebe.
Jede Seele trägt eine eindeutige ID (Identität) in sich, welche der ursprünglichen Traum-IDEE des großen Schöpfungsträumers Ishvara entspricht. Diese ID ist der Seele in Form eines einzigartigen, schwingenden Symbols eingeprägt, welches in tiefer Meditation und innerer, intuitiver Wesensschau erkannt werden kann. Es ist durchaus sinnvoll, sich seine Seelen-ID auf diese Weise zu erschließen bzw. sich daran zu erinnern, damit wir uns nicht für etwas oder jemanden halten, der wir nicht sind.
Im Wortklang des keltischen „Dru-id-en“ klingt noch die Bedeutung der Verwirklichung unserer „True-id“ hervor. Den keltischen Rshis war seelische Originalität und Authentizität sicherlich ein großes Anliegen und bildete gleichsam die Verwirklichungsgrundlage ihres spirituellen Geistes und Handelns. In den alten Wappen, die uns die Heraldik (Wappenkunde, von griech. heraldos = Bote) überliefert hat, spiegeln sich noch rudimentäre Relikte jener kraftvollen, seelischen Symbole wider. In der geschichtlichen Überlieferung waren es die Herolde, die wichtige Botschaften überbrachten, welche bezüglich ihrer Herkunft am Wappen eindeutig zu erkennen sein mussten. Auf die seelische Ebene übertragen, muss auch jede seelische Botschaft, die in Form von Bewusstseinsenergie aus dem atmischen Quell der Weisheit über die weite See unserer „See-le“ an die Peripherie unseres Verstandesinstruments geschickt wird, an ihrem „Seelenwappen“ eindeutig zu erkennen sein. Ist die Seelen-ID jedoch manipuliert und durch eine täuschend echte Fälschung ersetzt worden, passen Sender, die gesendete Information und Empfänger nicht mehr zusammen, und die ursprüngliche Botschaft kann nicht, oder nur verfälscht, zugestellt werden. Der Mensch verliert seine innere Orientierung bzw. Versorgung und stirbt den schleichenden seelischen Hungertod. Sind wir jedoch seelisch „gewappnet“, kann sich die aus der Quelle des Atman strömende seelische Kraft frei entfalten – bis in unsere physische Erscheinung hinein, und kann dort das wirkliche Leben erbauen.
Letztlich ist jedes Seelenwappen eine Ableitung des ersten und uranfänglichen Ursymbols des heiligen OM. Dieses ist als höchstschwingendes Wort-Klang-Symbol die erste Emanation des namen- und formlosen Brahman. Das OM ist die Stamm-ID der gesamten Schöpfung. Vom Stamm-Baum des universalen Weltenbaumes wachsen unendlich viele Äste, Zweige, Blätter und Früchte. Sie alle sind an ihren ureigenen Zeichen zu erkennen. Kopien sind nicht vorgesehen und stören die heilige Ordnung. Gelingt es uns, in innerer Wesensschau unser eigenes, schwingendes Seelen-Symbol zu entschlüsseln, können wir darüber unsere wahre Zugehörigkeit und seelische Abstammung bis zum Ursprung zurückverfolgen. So erwachend, sind wir in jeder Lebenslage von Vertrauen, Gewissheit und Weisheit geführt. Dann, und erst dann, erkennen wir, dass wir mit dem liebenden Selbst (Atman) identisch sind.